Übersetzung aus dem kroatischen Artikel von Frano Kiso:
Seit Kroatien der Europäischen Union beigetreten ist, haben wir die Abwanderung von Arbeitnehmern in reichere europäische Länder beobachtet, aber wir sind auf eine Einwanderin gestoßen, die den umgekehrten Weg gegangen ist und von Deutschland nach Kroatien gezogen ist! Vanessa Ast ist wirklich eine besondere Frau, und das merkt man sofort, wenn man sich ein paar Minuten mit ihr unterhält.
Wie eine echte eingebürgerte Dalmatinerin saß sie auf der Terrasse des Cafés und genoss die warmen Sonnenstrahlen mitten im Winter, etwas, wovon viele in Europa nur träumen können. „Schaut euch um, das ist unglaublich“ - sagte Vanessa mit ansteckender Begeisterung, und wir merkten sofort, dass wir eigentlich Kollegen waren, denn sie war in ihrem Heimatland früher Journalistin. Sie schrieb für Zeitungen und arbeitete für das Fernsehen, was es ihr ermöglichte, aus verschiedenen Teilen der Welt zu berichten und viel zu reisen. Mit ihrer Auswanderung besiegelte sie ihre Liebe zu Dalmatien, die vor fast 30 Jahren geboren wurde.
„Eine Freundin aus der Schulzeit ist Dalmatinerin, und sie hatte einen großen Einfluss darauf, dass ich hierherkam. Als ich 17 Jahre alt war, kam ich mit ihr zum ersten Mal in die Umgebung von Primošten und ich fühlte sofort eine besondere Verbindung“, erzählt die Deutsche und sagt, dass ihre Beziehung zu Dalmatien in gewisser Weise eine Liebesgeschichte ist. Sie verliebten sich auf den ersten Blick und haben bis heute nicht aufgehört, sich zu lieben.
„Obwohl ich viele Teile der Welt bereist habe, hat mich immer etwas an dieses Fleckchen Erde gefesselt, wo ich auch wunderbare Freundschaften geschlossen habe. Dalmatien hat 20 Jahre lang geduldig auf mich gewartet, und wenn mich Leute fragen, warum ich gerade diesen Ort gewählt habe, sage ich ihnen immer, dass es meine Herz-Heimat ist, in der ich mich sehr zu Hause fühle. Ich liebe die Natur hier und das Meer, ich bin eure Meerjungfrau“, scherzte sie.
Der Himmel auf Erden
Vanessas erste Schritte in Richtung Einwanderung erfolgten 2021 während der COVID-Pandemie, als ohnehin alle von zu Hause aus arbeiteten, und so beschloss sie auch, in der, wie sie sagt, schönsten Region der Welt zu arbeiten. Meer, Strände, Ruhe und Frieden - sie fand dort alle Zutaten für ein schönes Leben, und sie gab sich ein Jahr Zeit, um zu sehen, ob dieses Experiment gelingen würde. Sie begann mit der Arbeit bezüglich der Einwanderungs-Bürokratie, organisierte sich schnell und zog schließlich nach Čiovo bei Trogir.
„Ich ließ alles hinter mir und eröffnete letztes Jahr hier mein kroatisches Unternehmen. Es war mir sehr wichtig, mit der lokalen Bevölkerung zusammenzuarbeiten, Teil der Gemeinschaft zu sein und etwas für sie zu schaffen“, sagt die Einwanderin, die Deutschland nicht wirklich vermisst. Und wenn sie sich nach ihrer Familie und Freunden sehnt, ist der Flughafen ganz in der Nähe, und der Flug in ihre Heimatstadt Stuttgart dauert weniger lang als so mancher Stau mitten in der Sommersaison.
Auf die Frage, ob sie für den Rest ihres Lebens hierbleiben will, antwortet sie, dass sie mit ernsten Absichten hierhergezogen ist und dass sie sich langfristig in Kroatien sieht, aber man weiß nie, was das Leben einem bringen wird: „Dieser große Schritt erfordert viel Kraft, Mut und Energie, vor allem, wenn man die Sprache noch nicht spricht und ein neues Unternehmen gründet. Ich sage immer, Europa ist wie ein großes Wohnzimmer, und man muss sich nicht endgültig entscheiden, ob man sein ganzes Leben lang an einem Ort bleiben will.“
Wir kamen auch auf die Lebenshaltungskosten zu sprechen, die ihrer Meinung nach schwer zu vergleichen sind. In Deutschland kann man zwar mehr verdienen, aber dafür sind die Kosten auch viel höher. „Überall kämpfen die Menschen auf ihre eigene Weise, unabhängig davon, wo sie leben und wie gut sie ausgebildet sind. Ich kenne Amerikaner, die hier mit einem amerikanischen Gehalt leben, und das ist eine ganz andere Geschichte, denn für sie ist alles viel günstiger“, sagt sie.
Touristische Probleme
Sie hat sich für Čiovo entschieden, weil es hier einerseits Ruhe auf der Insel, schöne Strände und Natur gibt, und direkt daneben eine kleine Stadt voller Leben, Kultur und interessanter Angebote. Das bringt einige Probleme mit sich, wie zum Beispiel eine übermäßige Anzahl von Touristen, die in den Sommermonaten für unerträgliche Menschenmassen sorgen. „Es überrascht mich nicht, dass Split beschlossen hat, Ausländer zu bestrafen, die in der Stadt Unordnung machen, denn die Situation wird von Jahr zu Jahr schlimmer. Junge Touristen zerstören einfach alles um sie herum. Aber ich bin froh, dass wenigstens die einheimische Bevölkerung etwas am Tourismus verdienen kann“, sagt Vanessa und nennt ein weiteres Problem: „Auf Čiovo gibt es während der Hochsaison einen enormen Lärm von Flugzeugen, die auf dem nahen gelegenen Flughafen landen. Im Sommer brummt es ständig über uns, und man muss sich daran gewöhnen. Aber das sind Kleinigkeiten und ich rege mich nicht zu sehr auf. Egal, wo man wohnt, es gibt immer etwas, das einen stört oder das einem nicht passt, es ist wichtig, einen Kompromiss zu finden“, - unser Gesprächspartner ist vernünftig.
Trogirs Schatzi
Und was die Integration in die lokale Gesellschaft angeht, so verlief sie reibungslos und ohne Probleme. Vanessa sagt, dass die Menschen in Trogir sie bereits sehr gut kennen und sie regelmäßig mit Einheimischen zusammen ist, die einen passenden Spitznamen für sie gefunden haben. „Schatzi, Schatzi“, rufen sie ihr auf der Straße freundlich zu.
„Es war sehr wichtig für mich, mich anzupassen und mich in diese Gemeinschaft einzufügen. Ich versuche, die kroatische Sprache so oft wie möglich zu benutzen, und viele Leute denken, ich sei Kroatin und sind überrascht, wie gut ich spreche“, erzählt sie uns und fährt sofort begeistert fort zu beschreiben, wie wunderbar dieses Land und seine Bewohner wirklich sind. „Ich lebe an einem Ort, an dem ich schon immer leben wollte, und das ist ein echtes Privileg. Wenn ich morgens aufwache, höre ich Möwen, rieche das Meer, treffe freundliche Menschen. Diese kleinen Momente sind kostbar. Ich habe einen Platz für den Morgen-, Nachmittags- und Abendkaffee. Unbezahlbar“, sagt sie begeistert.
Um nicht den Anschein zu erwecken, dass alles so perfekt war, erzählte sie uns, dass ihre negativste Erfahrung in Kroatien im letzten Jahr war, als die Autovermietung "Vintax" ihre Kaution von 800 Euro nicht zurückzahlte, worüber wir sogar in Slobodna Dalmacija geschrieben haben, woraufhin die Geschädigten ihr Geld zurückbekamen.
Ein Leben rund um 'pomalo'
Wir haben auch ein wenig von der Lebensphilosophie aufgenommen, um die sie ihr Unternehmen aufgebaut hat, und die lautet - pomalo! Sie ist in kleinen und großen Dingen enthalten, und ein gutes Beispiel dafür ist unsere Liebe zur Musik, wie wir alle singen und das dalmatinische Script leben, das für uns Therapie und Medizin ist.
„Pomalo ist nicht nur Faulenzen mit Kaffee, es ist viel mehr als das, und ich habe diese Lebensphilosophie eingehend studiert. Ich habe geforscht, was genau die Formel für Glück und ein erfülltes Leben ist, und die dalmatinische Formel kommt der Lösung sehr nahe. Um das klarzustellen: Ich spreche nicht von ganz Kroatien, denn im nördlichen Teil des Landes lebt man genauso schnell und stressig wie im restlichen Europa. Es geht vor allem um die Dalmatiner, die Spezialisten im Genießen des Augenblicks sind“, sagt die Deutsche, die noch ein anderes Phänomen von uns fasziniert. „Wenn man in einem Café sitzt, unterhalten sich die Leute um einen herum sehr laut über den Lautsprecher ihres Mobiltelefons, und niemand kümmert sich darum, wer was hört. Ich finde das absolut unglaublich, auf eine gewisse Weise sogar lustig. Aber das beschreibt ja auch euch Dalmatiner“, erzählt sie uns lachend.
Vanessa führt seit 15 Jahren ihr eigenes Kommunikations- und Coaching-Unternehmen, in dem sie Menschen in Sachen Stressbewältigung, geistige Gesundheit, Achtsamkeit und mentaler Prozesse unterrichtet. Sie arbeitet im privaten und geschäftlichen Bereich mit verschiedenen Personengruppen, die sie mit speziellen Methoden sensibilisiert und bei der Bewältigung des heutigen hektischen Lebens unterstützt. „Ich helfe Angestellten und Managern, ihren inneren Fokus wiederzufinden. Der menschliche Geist ist immer chaotisch, kritisch und voll von Gedanken aller Art, so dass es schwierig ist, sich auf die wichtigen Dinge zu konzentrieren. Die Menschen wenden sich auch an mich, wenn sie dabei sind, ihr Leben zu verändern, wenn sie sich große Fragen stellen oder Schwierigkeiten verschiedenster Art haben“, erklärt die Life-Coachin und Wellbeing-Expertin. Sie fügt hinzu, dass es bei allem darum geht, im gegenwärtigen Augenblick zu sein, um dort die Ruhe, Klarheit und Konzentration zu finden.
Der Ort des glücklichen Moments
„Meine Lösung ist "Pomalo" und ein holistischer Ansatz für das Leben. Meine Klienten kommen nach Čiovo, wo sie ein spezielles Programm mit einer maßgeschneiderten Strategie und einem klaren Ziel in der wunderschönen Natur erwartet. Ausländer, die nicht hier leben und zum Retreat kommen, erleben eine besonders tiefgreifende Veränderung, wenn sie einige Lebensprinzipien akzeptieren, die für uns Dalmatiner völlig normal sind. Von familiären und freundschaftlichen Beziehungen bis hin zum Leben in der Natur und dem Singen in absoluter Ekstase“, sagt die Einwandererin und ergänzt, dass auch wir Kroaten etwas Hilfe und Führung brauchen.
„Man muss sich wieder auf das wahre Prinzip von "Pomalo" besinnen, denn die Tourismussaison bringt aufgrund der Menschenmassen sehr viel Arbeit, Nervosität und Stress mit sich. Ich habe viel Murren und Klagen von den Einheimischen gehört, aber wir müssen akzeptieren, dass es auch in unserem dalmatinischen Paradies von Zeit zu Zeit Stürme und Schwierigkeiten gibt“, schließt sie mit einem Lächeln.
In Trogir befindet sich im Frauenkloster der Benediktinerinnen die Kunstsammlung Kairos. Und wer war Kairos? Der jüngste Sohn des Zeus, am besten bekannt als der Gott des glücklichen Augenblicks. Nicht der Gott des Glücks, sondern der Gott des glücklichen Augenblicks. Auf poetische Weise erkannte Vanessa, dass dies der perfekte Ort sein könnte, um das Bewusstsein zu wecken, sich selbst im Moment zu finden und zu erkennen, dass das Glück eine Entscheidung ist, das wir es nur erreichen können, wenn wir uns aufrütteln und uns entscheiden, wieder zu leben - pomalo.
Quelle: Slobodna Dalmacija. Foto: Vojko Basic/Cropix.
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